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Lauschen
„Das Leben ist ein Fluss. Wenn du es näher betrachtest, dann wirst du sehen, dass sich alles in jedem Augenblick ändert.“
– Drukpa Rinpoche –
Wir sind fast in jedem Moment von Geräuschen umgeben. Von leisen und lauten Geräuschen, von gleichbleibenden und sich ständig verändernden Geräuschen, von angenehmen und unangenehmen Geräuschen …
Die meisten davon nehmen wir gar nicht wahr, weil wir die Fähigkeit haben, unsere Wahrnehmungen zu filtern und vor allem darauf zu achten, was gerade im Vordergrund steht.
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Das Filtern klappt nicht immer und ist auch nicht bei jedem Menschen gleich stark ausgeprägt. Sich einfach einmal Zeit zu nehmen, der Welt, der Umgebung in der wir uns befinden, für ein paar Momente zuzuhören, kann uns in mehreren Punkten unterstützen:
- Wenn wir lauschen, halten wir automatisch inne – damit steigen wir aus dem Machen, Leisten und Funktionieren aus.
- Wenn wir lauschen, bemerken wir, wie die Welt um uns herum gerade beschaffen ist: still, geschäftig, aufgeregt, entspannt. Das wirkt sich auch auf uns aus.
- Wenn wir lauschen, erfahren wir, in welchem Grad von Geschäftigkeit oder Stille, in welcher Stimmung wir uns selbst momentan befinden. Das wirkt sich auf unsere Mitwelt aus und natürlich auch auf uns selbst.
- Wenn wir lauschen und dadurch innehalten, können wir bewusste Entscheidungen treffen. Manchmal direkt für den Augenblick, manchmal für spätere Momente des Tages: Wieviel Stille, wieviel Geräusche brauche ich jetzt gerade, brauche ich heute noch?
Ideen für den Tag:
- Lausche immer mal wieder für ein paar Momente den Geräuschen der Welt; vielleicht morgens, mittags, abends.
- Wenn Du lauschst, dann stell Dir vor, dass Du einem ganz ungewöhnlichen Lied oder Konzert lauschst. Einfach zuhören, nur hören.
- Gibt es Geräusche, die Du magst? Eine bestimmte Musik oder die Stimme eines nahen Menschen? Vielleicht das Knacken von Feuer im (digitalen) Kamin, das Ticken einer Uhr? Du kannst Dir auch bewusst Geräusche oder Stille schaffen. Probier es aus!
Selbstfürsorge und Mitgefühl
Freundlich zu sich selbst zu sein – sich selbst die beste Freundin, der beste Freund – stärkt unsere Lebenskraft und Lebensfreude. Gerade in schwierigen Zeiten brauchen wir Kraft und Freude besonders, wie Studien zu Trauma und Resilienz ergeben haben.
Wie können wir Freundlichkeit, Fürsorge und Mitgefühl in uns wecken?
Wir habe alle gute Intentionen und geben unsere Aufmerksamkeit und Kraft in wichtige Prozesse, die Gutes bewirken. Wir alle haben ein zugrundeliegendes Gut-Sein ins uns. Können wir uns selbst darin anerkennen, dann fühlen wir uns insgesamt wohler, sicherer, liebenswerter, und das senkt tatsächlich unseren Stress.
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Wenn wir dann auch mal Fehler machen – was überaus normal und menschlich ist – haben wir außerdem die Möglichkeit, uns selbst mitfühlend zu begegnen. Manche Situationen sind eben schwierig, berühren unseren Schmerz und unsere Angst, und natürlich reagieren wir meistens nicht perfekt darauf, innerlich und nach außen. Selbstmitfühlend können wir dann vielleicht sagen: „Ja, so ist es gerade. Das gehört zum Leben. Ich wünsche mir selbst, freundlich zu mir zu sein in dieser schwierigen Zeit.“
Zur Selbstfürsorge gehört es auch, immer wieder bewusst wahrzunehmen, wieviel schwierige, unangenehme und schmerzhafte Nachrichten wir heute vertragen. Vielleicht sind wir gut aufgestellt und können Nachrichten schauen und lesen, ohne in Sorge, Wut oder Hilflosigkeit zu verfallen. Vielleicht ist aber auch einer dieser Tage, an dem es gut tun würde, sich nicht in erster Linie mit Schwierigkeiten zu beschäftigen, sondern sich eher an Wohltuendes zu halten. Sich auf vertraute und freundliche Menschen zu besinnen, sich selbst etwas Gutes tun, jemand anderem helfen. Es gibt so viele Dinge, die uns Kraft geben, und uns auch psychisch stärken. Wichtig ist, ihnen Raum in unserem Leben zu geben, wenn wir es brauchen (und auch sonst).
Natürlich ist es auch hilfreich, das Herz zu öffnen für Familie und Freunde und für die Schönheiten dieser Welt. Diese wunderbare Welt, in all ihren Formen; Liebe und Zuneigung heilen und nähren uns, wenn wir sie zulassen und ihr Raum geben.
Ideen zu Fürsorge und Freundlichkeit
- Wenn Du in Dir fürsorgliche, freundliche, klare, mitfühlende, engagierte Impulse, Gedanken und Gefühle wahrnimmst, dann glaube Dir selbst! Du bist ein liebenswerter Mensch, mit Dir ist alles in Ordnung. Nimm Dir einmal am Tag Zeit, um diese Seite in Dir ganz bewusst zu reflektieren.
- Habe Mitgefühl mit Dir selbst, wenn Du merkst, dass Du nicht so perfekt bist, wie Du es Dir wünschst. Nutze dazu die drei Sätze des Mitgefühlmantras:
Ja, so ist es gerade.
Das gehört zum Leben.
Ich wünsche mir selbst, freundlich zu mir zu sein, in dieser schwierigen Zeit. - Wenn Du Menschen begegnest, die Dich auslaugen oder aufregen, erlaube Dir, Abstand zu wahren und für Dich selbst einstehen. Gleichzeitig betrachte sie von Weitem mitfühlend; vielleicht findest Du etwas an Ihnen, dass Dir Ihre Menschlichkeit bewusst macht. Sind sie zum Beispiel unsicher, ängstlich, gute Eltern oder lieben die Natur? Was hilft Dir dabei, kein Feindbild in Dir entstehen zu lassen?
- Gönne Dir selbst regelmäßig etwas Gutes, Erfüllendes, Wohltuendes, Unterstützendes! Das können kleine, alltägliche Dinge sein, aber auch größere, zeitintensivere Vorhaben. Vermutlich sind es mehr Erfahrungen und Erlebnisse und weniger Gegenstände und Dinge. Finde es für Dich heraus!
Grenzen
„Niemand ist vollkommen: Glück heißt, seine Grenzen kennen und sie lieben.“ (Romain Rolland)
In uns allen gibt es einen großen Pool voller Möglichkeiten, Potenziale, Fähigkeiten, Vorlieben, Eigenschaften, Werte und Ansichten. Interessanterweise definieren diese Möglichkeiten auch unsere Grenzen. Wir können nicht alles können, schon gar nicht perfekt. Wir mögen nicht alles und jeden. Manches ist uns zu viel, zu laut, zu lange und/oder tut uns nicht gut, im schlimmsten Fall erleben wir emotionalen oder auch körperlichen Schmerz als Folge von Grenzüberschreitungen.
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Dabei kann es durchaus sein, dass wir selbst über unsere Grenzen gehen und zunächst einmal gar nicht genau merken, wann es wirklich reicht oder zu viel ist. Aber natürlich können auch andere Menschen unsere Grenzen austesten und darüber hinausgehen; in unseren Raum, in unsere Sicherheit, in unseren Wohlfühlbereich eindringen.
Wenn wir dann „Nein“ sagen, zu uns selbst oder einer anderen Person, fällt uns das oft schwer. Wir verwechseln es mit Kritik, mit Kränkung, mit Einschränkung und Verzicht … Dabei ist dieses „Nein“ der Grenzsetzung auch immer ein „Ja“: „Ja“ zu meinen Bedürfnissen, „Ja“ zu dem, was mir gut tut, „Ja“ zu meinen Eigenschaften, meinen Fähigkeiten, meinen Werten.
Zum Glück ist nichts davon in Stein gemeißelt: Was ich heute brauche, kann buchstäblich morgen nicht wichtig sein; zum Beispiel könnte es sein, dass ich heute sehr müde bin und früh ins Bett gehen möchte, morgen kann ich unter Umständen viel Energie haben und am Abend ganz aktiv sein.
Reflexion zu Grenzen:
- Schau einmal, wann Du in den letzten Woche gern „Nein“ gesagt hättest und es nicht getan hast, aber auch wann Du doch „Nein“ gesagt hast. Reflektiere beides in aller Ruhe im Nachhinein. Wie hat sich das eine und das andere angefühlt? Was hat Dir an der einen ermöglicht „Nein“ zu sagen, was hat es an der anderen Stelle verhindert? Wozu waren die „Neins“ ein „Ja“?
- Was fällt Dir als erstes ein, wenn Du die Frage liest: Welches Deiner Bedürfnis hatte in den letzten Wochen am wenigsten Platz?
- Wenn es Dir grundsätzlich eher schwer fällt, „Nein“ zu sagen (ganz gleich, ob zu Dir selbst oder anderen), dann überlege Dir doch einmal in Ruhe, wie Du freundlich und bestimmt ausdrücken könntest, dass Du etwas nicht möchtest. Lege Dir regelrecht Sätze zu zurecht, die Du dann bloß noch abzurufen brauchst, wenn es notwendig wird.
(Manchmal kann man vielleicht mit einem „Danke für das Angebot“, „Das ist eine gute Idee.“ oder ähnlichem anfangen. Dann das eigene Bedürfnis ausdrücken. Je nach Situation könnte man noch ein „Vielleicht später“ oder „Heute nicht“ einbauen.) Vielleicht bist Du ja bald in einer Situation, in der Du es einmal ausprobieren kannst.
Gewohnheiten, Gewohnheiten
Fast unser ganzes Leben ist von Gewohnheiten und lang eingeübten Routinen bestimmt. Am deutlichsten sehen wir es bei motorischen Fähigkeiten: Anziehen, Fahrradfahren, Stulle-Schmieren – alles geht, ohne darüber nachzudenken. Genauso haben wir auch Gewohnheiten im Denken und Fühlen entwickelt. Wir haben Meinungen und Werte, die wir nur selten hinterfragen, wir reagieren gewohnheitsmäßig emotional auf Situationen, die uns an frühere erinnern. Wir sind eben Gewohnheitstiere! Und das ist meistens gut so. Gewohnheiten auf allen Ebenen erleichtern uns den Alltag. Wir müssen nicht mehr über alles nachdenken, immer wieder neu verstehen und lernen.
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Dadurch werden Kapazitäten frei, für andere Dinge, die wichtig sind. Gleichzeitig stehen uns unsere Gewohnheiten auch im Weg; besonders dann, wenn wir etwas in unserem Leben verändern wollen. Aber auch, wenn wir in Schwierigkeiten und Krisen geraten und die bewährten und gewohnten Denk- und Verhaltensweisen überhaupt nicht mehr helfen.
Die englische Dichter Elizabeth Barrett Browning hat geschrieben: „Betrachte jede Schwelle nicht als Hindernis, sondern als Punkt zum Innehalten.“
Achtsamkeit lädt uns dazu ein. Im Innehalten können wir Situationen und unsere Reaktionen darauf wahrnehmen und erkunden. Wir können Klarheit und Mitgefühl finden und bewusst entscheiden, was wir wirklich wollen, was der Situation und uns jetzt guttun würde.
Oft gelingt dann eine solche Veränderung nicht sofort. Die Gewohnheiten sind stark und setzen sich meistens für einige Zeit weiterhin durch. Aber wir beginnen ganz langsam, kleine Dinge zu verändern. Aus vielen kleinen Veränderungen entsteht dann irgendwann eine große – wir sind in das Neue hineingewachsen, haben eine neue Gewohnheit etabliert.
Vielleicht ist diese neue Gewohnheit das Innehalten.
Spazieren
„Friedliche und entspannte Schritte auf dieser Erde zu machen, das ist ein Wunder.“ (Thich Nhat Hanh)
Was für ein wunderbares Konzept: Spazieren. Wir schlendern gemächlich oder in zügigem Tempo durch die Gegend, vielleicht Stadt, Dorf, Feld, Wald, am Wasser … einfach nur um zu gehen, frische Luft zu schnappen, draußen zu sein, aber ansonsten ganz ohne Ziel. Spazieren kann eine Zeit der Muße sein, in der wir nirgendwo hingelangen und nicht erreichen müssen, eine Zeit, in der wir einfach so sein können, genau wie wir sind. Verrückt eigentlich, dass wir manchmal sogar Spaziergänge erledigen.
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Natürlich ist das regelmäßige Gehen gesund, allein schon wegen der Bewegung, auch die frische Luft tut ihren Teil, und die Natur an sich hat noch ganz eigene gesundheitsfördernde Aspekte. Das sind gute Argumente fürs Erledigen des täglichen Spaziergangs.
Es gibt eine Möglichkeit, das Erledigen und die Muße beim Spazieren zu verbinden: Wir können die guten Argumente als Motivation nutzen, uns fürs Spazieren Zeit zu nehmen und wirklich loszugehen. Sobald wir dann draußen sind und die Motivation „ihren Job erledigt“ hat, können wir die Muße einladen und einfach sein.
Gehen beim Gehen. Die Seele baumeln lassen. Spüren, Hören, Riechen, Schauen …
Ideen zum Spaziergehen:
- Gehe heute spazieren. Nimm dabei wahr, WIE Du es tust, aus welcher Haltung heraus. Einfach bemerken, nicht bewerten.
- Mache einen Achtsamkeitsspaziergang: Nimm Dir jeweils für ein paar Minuten einen Sinn in den Fokus; Sehen, Hören, Riechen, Spüren, womöglich sogar Schmecken und natürlich auch Atmen. Vielleicht hast Du auch Lust zu experimentieren, und zwei oder drei Sinne gleichzeitig zu erleben. Dabei geht es nicht um Konzentration, natürlich wird der Geist abschweifen in Erinnerungen, Assoziationen und aktuelle Themen, die Dich beschäftigen. Lade Dich selbst ganz entspannt immer wieder ein, mit den Sinnen zu spazieren. Es geht eher um eine offene, weite Aufmerksamkeit, in der alles Raum haben darf.
- Wenn Du mit jemanden gemeinsam unterwegs bist, dann nehmt Euch vor, für ein paar Minuten zu schweigen. Vielleicht habt Ihr ja sogar Lust, Euch hinterher darüber auszutauschen, was Ihr wahrgenommen habt und was Ihr in Euch erlebt habt.
Freude
Schon Georg Christoph Lichtenberg hat mit Humor festgestellt: „Man will wissen, dass im ganzen Lande seit 500 Jahren niemand vor Freude gestorben wäre.“
Auf unserem Lebensweg brauchen wir Freude – ganz gleich, was wir tun, wie wir uns entwickeln, welche Schicksalschläge uns begegnen – ganz ohne Freude geht es nicht.
Dabei kann Freude viele verschiedene Gesichter haben: Mitfreude, Vorfreude, Enthusiasmus, Großzügigkeit, Genuss, Muße, Leichtigkeit, Humor, Dankbarkeit, Lebendigkeit, Heiterkeit, Optimismus, Verbundenheit, Wertschätzung, …
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Freude ist innen zu spüren, Freude kann nach außen gehen. Wir spüren sie im Körper, vielleicht in einem Lächeln, in einer Weite, Offenheit, Leichtigkeit, Entspannung.
Und wenn wir an einer Sache länger dranbleiben wollen (z.B. Achtsamkeit; für die meisten von uns ist es auch Arbeit, Familie, Freundschaft), dann ist es ungemein unterstützend, Freude darin zu finden.
Gleichzeitig kann uns Freude auch helfen, mit Schwierigkeiten und Schmerz besser zu leben. Es gibt ja immer irgendetwas, das uns das Leben ein wenig schwerer macht, als es nach unserem Geschmack sein müsste. Oder?
Vielleicht ist es hier und da möglich, um diese Schwierigkeiten, diese Schmerzen herum Freude zu finden. Also wieder: Die Perspektive erweitern, sich nicht in den Tunnelblick auf das Unangenehme locken lassen, den Blick weiten und öffnen. Wir brauchen das Unangenehme nicht loswerden oder abschaffen, sondern wir können ihm als Ausgleich etwas Angenehmes zur Seite stellen.
Ideen zur Freude:
- Lege eine Liste an mit Tätigkeiten, Dingen, Nahrungsmitteln … an, die Dir Freude bereiten.
- Nimm diese Liste als Anlass, Dir heute und auch regelmäßig (2-3 mal pro Woche, gern täglich) selbst eine kleine oder große Freude zu bereiten.
- Vielleicht hast Du gerade Urlaub und musst heute etwas erledigen, auf das Du keine Lust hast; vielleicht arbeitest Du heute noch und in Deiner Arbeit gibt es etwas, dass Dir unangenehm ist: Probiere daran einmal aus, dem Schwierigen etwas Freudvolles zur Seite zu stellen (vielleicht auch davor oder danach).